Wolfgang Brendel war der wohl beste Mandryka und Wolfram seiner Zeit und ein herausragender Sachs in den Meistersingern. Im Oktober wird er 75 – und gibt seine Professur nicht auf.
Von Kai Luehrs-Kaiser
Wohl dem, der seinen Rückzug selbst bestimmt. Wolfgang Brendel, seit elf Jahren Gesangsprofessor an der Jacobs School of Music der Indiana University Bloomington, denkt über ein Kürzertreten zwar nach, denn am 20. Oktober wird er 75 Jahre alt. Zum Aufhören zwingen kann ihn aber niemand. Im Jahr 2011 war er seiner Ehefrau, einer Amerikanerin, und den beiden gemeinsamen Kindern in die USA gefolgt. Er hatte sich entschlossen, im Operngeschäft kürzer zu treten. „Meine letzte Gesangsrolle war Hans Sachs 2012 an der Deutschen Oper Berlin“, so Brendel. Dort, wo er diese wichtige Partie 1993 (für Götz Friedrich) erstmals gesungen hatte. Das nennt man Abschiedspartie! Damit war allerdings nicht Schluss. Im April dieses Jahres stand er als Haushofmeister in Ariadne auf Naxos auf der Bühne der Metropolitan Opera. „James Levine mochte mich seinerzeit ja nur, weil mich Carlos Kleiber an die Met mitgebracht hatte“, knirscht er rückblickend. Die Stimme, wie der fidele Herr vorführt, ist immer noch ganz da.
Singulär machte ihn nicht zuletzt eines: Er war ein Wagner-Bariton mit italienischer Technik. „Tatsächlich war Rodrigo im Don Carlo die Rolle meines Lebens“, so Brendel. „Um die Italiener, besonders um Verdi, ging es mir.“ – „Brendels Tode sind die besten“, hieß es denn auch in München, wenn er als Posa starb. Eine milde, aber doch auch kernige Italianità sorgte dafür, dass sein Wolfram und auch sein Amfortas weicher timbriert waren als sonst üblich. „Wagner muss nicht zu einem Verlust der Farben führen“, fasst Brendel seine Philosophie zusammen, „wenn er ein wenig italienischer gesungen wird.“ Verkörperte Brendel am Ende das, was sich Wagner unter „vaterländischem Belcanto“ vorgestellt hatte? „Wagner hasste keineswegs die italienischen Komponisten“, so Brendel, „sondern nur ihren Erfolg“.
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